Das Interesse an der Infoveranstaltung zum Starkregen in Holzhausen ist groß: In der TGV-Halle gibt es kaum einen freien Platz. Viele Menschen sitzen an Tischen auf Stühlen, vor ihnen steht Bürgermeister Matthias Wittlinger am Rednerpult.
© Das Interesse an der Infoveranstaltung zum Starkregen in Holzhausen ist groß: In der TGV-Halle gibt es kaum einen freien Platz. Viele Menschen sitzen an Tischen auf Stühlen, vor ihnen steht Bürgermeister Matthias Wittlinger am Rednerpult.
Alle Rechte vorbehalten Stadt Uhingen

Schutz vor Starkregen lässt sich nur gemeinsam stemmen

Städtische Mitteilungen

Im Juni haben mehrere Starkregen-Vorfälle im Uhinger Stadtteil Holzhausen Schäden angerichtet. Bei einer Infoveranstaltung zeigen städtische Vertreter und ein Fachplaner, wie das Schadensrisiko reduziert werden könnte. Allerdings geht das nicht ohne die Bürgerschaft, Landwirtschaft, Land und Bund.

In der TGV-Halle im Uhinger Stadtteil Holzhausen herrscht reges Gedränge, es gibt kaum einen freien Platz. Die mehr als 200 Menschen waren gekommen, um zu erfahren: Wie können sie ihr Hab und Gut vor solchen Starkregen-Ereignissen schützen, wie sie im Juni über sie hereingebrochen sind?

 

„Es geht heute um ein Thema, das uns alle angeht“, sagte Uhingens Bürgermeister Matthias Wittlinger eingangs der knapp dreistündigen Veranstaltung. „Der Schutz ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam lösen müssen – und das bekommen wir gemeinsam hin!“ Wie das aussehen kann, erfuhren die Anwesenden im Laufe des Abends.

 

Doch zunächst erklärte das Uhinger Stadtoberhaupt, wieso die Infoveranstaltung zum Starkregen knapp vier Monate nach den heftigen Ereignissen stattgefunden hat. So ein Infoabend hätte früher veranstaltet werden können. Dabei hätte die Stadt Info-Flyer verteilen können, in denen die Bürgerinnen und Bürger lesen könnten, welche Maßnahmen sie selbst ergreifen können. „Wir wollen aber nicht die Verantwortung allein auf Sie abwälzen, sondern Lösungen aufzeigen, die wir derzeit mit einem Fachbüro erarbeiten.“ Zudem betonte der Bürgermeister, dass etwas Geduld nötig sei, bis ein sinnvolles Ergebnis vorliege.

 

Wie der Weg dahin aussieht, zeigte Armin Binder vom Ingenieurbüro Winkler und Partner GmbH, das sich auf Wasserwirtschaft und Wasserbau spezialisiert hat. „Vorhersagen bei Sommergewittern sind wahnsinnig schwierig“, weshalb er dafür plädierte, notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dabei machte er deutlich, dass der Schutz nur gelingen könne, wenn alle Beteiligten sie ergreifen: die Kommunen auf der einen Seite, die Bauherren und Grundstückseigentümer sowie Bürger und Landwirte auf der anderen Seite – und auch Land und Bund.

 

In seiner Präsentation ging Armin Binder auf den für Holzhausen erstellten ersten Entwurf einer Starkregengefahrenkarte, die Teil des Starkregenrisikomanagements der Stadt Uhingen wird, ein. Für die Starkregengefahrenkarten wird analysiert und berechnet, wie sich die

Regenmengen bei seltenen (37 Millimeter Niederschlag pro Stunde), außergewöhnlichen (46 Millimeter Niederschlag pro Stunde) und extremen (128 Millimeter Niederschlag pro Stunde) ihren Weg durch den Ort bahnen. Eine erste Erkenntnis daraus: „Wir erfahren, auf welchen Straßen das Wasser bei heftigen Regenfällen sehr hoch ist und eine so starke Fließgeschwindigkeit hat, dass sie gesperrt werden müssen.“

 

Doch Armin Binder zeigte nicht nur auf, wie sich das Wasser seinen Weg durch Holzhausen bahnt, sondern auch, wie man sich davor schützen kann. In Holzhausen gibt es aus Sicht des Experten drei Schwerpunkte: Holzhausen-Nord, Holzhausen-Ost und Holzhausen-Süd. Einlaufbauwerke können auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft werden, zusätzliche Ackerrandstreifen und Blühstreifen können den sonst durch schweres Gerät verdichteten Boden auflockern und so die Wasseraufnahme verbessern, Bürgerinnen könnten ihre Kellerschächte erhöhen und somit einen Wassereintritt verhindern oder Gerätschaften sowie Stromleitungen in Kellern hochlagern und höher verlegen lassen.

 

Um große Vorhaben wie die Erweiterung eines in die Natur integrierten Regenrückhaltebeckens umzusetzen, benötige man Grund und Boden. „Viele Flächen befinden sich in privater Hand und eine Kommune kann nur etwas bauen, wenn sie die dafür notwendigen Flächen hat“, sagte er. Zudem warnte er davor, zu große Erwartungen an solche Rückhaltebauwerke zu haben: „Auch ein Regenrückhaltebecken für siebenstellige Summe kann nicht die Wassermassen auffangen, die es im Sommer gab.“

 

Zudem verwies der Fachplaner auf das in Baden-Württemberg geltende Wasserhaushaltsgesetz, demzufolge die Menschen zur Eigenvorsorge verpflichtet sind, also selbst Maßnahmen zum Schutz ihres Hab und Guts ergreifen müssen. „Viele Häuser, nicht nur in Holzhausen, wurden in den 70er Jahren gebaut. Damals war kein Hochwasserschutz nötig“, ergänzte Matthias Wittlinger, der ebenfalls den Selbstschutz anmahnte. Dies könne beispielsweise durch Rückstauklappen erfolgen, die verhindern, dass bei Hochwasser oder Starkregen das Wasser aus dem Kanal durch die Abwasserleitung in den Keller eindringt. „Sie können eine Mauer um ihr Grundstück bauen, dabei dürfen Sie aber nicht vergessen: Rechts und links von Ihnen wohnt auch jemand“, mahnte Armin Binder an. Denn eine um das eigene Grundstück gezogene Mauer könne zwar das Wasser ableiten, aber zum Nachbarn ins Haus lenken. Hier besteht eine gesetzliche Verantwortung.

 

Anhand eines Übersichtslageplans zeigte der Bauamtsleiter der Stadt Uhingen auf, in welchen Bereichen von Holzhausen welche städtischen Maßnahmen möglich wären. So könnte das Einlaufbauwerk des bestehenden Regenhaltebeckens an der Adelberger Straße mit Gabionen-Einfassungen und Dammbalkenverschluss ertüchtigt werden. Zudem könnten durch Modellierungen der Landschaft rund um Holzhausen in einigen wenigen Bereichen natürliche Regenrückhalte geschaffen, beziehungsweise vergrößert werden, wie etwa im Bereich der Wangener Straße. Dort könnte das Einlaufbauwerk mit einer Drosselung versehen werden, sodass bei Starkregen das Wasser eingestaut wird und in dem offenen vorhandenen Wassergraben zur Verdolung Ziegelstraße gelenkt wird. Und bei der Ziegelstraße wäre eventuell ein weiteres Regenüberlaufbecken denkbar, ebenso wie in der gedachten Verlängerung in der Ziegelstraße. Ob diese Ideen auch in die Tat umgesetzt werden können, werden weitere Planungen zeigen. Das hängt auch von den Grundstücksverhältnissen ab. „Wir können nur gemeinsam Lösungen finden“, sagte Frank Hollatz. „Wir bewegen uns nämlich oftmals auf privaten Flächen und können nichts machen, wenn wir sie nicht nutzen können.“

 

Die Stimmung in der rappelvollen Sporthalle war trotz der dramatischen Ereignisse vor einigen Monaten von großem Interesse geprägt. Unter anderem wurde in der anschließenden Fragerunde mehrfach der Wunsch geäußert, Maßnahmen zu ergreifen. Das geschah im respektvollen Ton und nicht fordernd.

 

Was geschehen kann, wenn gemeinsam nach einer Lösung gesucht wird, zeigte sich ebenfalls im Laufe des Abends: Im Laufe der Wortmeldungen, bei denen die anwesenden Holzhäuserinnen und Holzhäuser auf lokale Begebenheiten in Sachen Starkregen und dadurch resultierte Überschwemmungen hinwiesen, zeigte sich, dass der Infoabend nicht ausreicht. Also einigten sich Vertreter der Stadtverwaltung um Bürgermeister Matthias Wittlinger, Fachplaner und Anwesende darauf, auf weitere Infoabende. Dabei soll es jeweils um die Gebiete Holzhausen-Nord, Holzhausen-Ost und Holzhausen-Süd gehen und die möglichen Maßnahmen. Auch sollen Begehungen in den Gebieten erfolgen, um sich die Situation an Ort und Stelle anzuschauen. Diese Ergebnisse sollen in die weitere Planung einarbeiten werden damit darüber Anfang 2025 im Gemeinderat beraten werden kann“, sagte das Stadtoberhaupt und lobte für „das sehr gute und sehr konstruktive Miteinander“.

 

Info: Unter den in der TGV-Halle Anwesenden befanden sich nicht nur vom Starkregen betroffene Menschen aus Holzhausen, sondern auch aus Uhingen. Sie wollten wissen, welche Schutzmaßnahmen entlang der Fils denkbar seien. Hierbei verwies der Bürgermeister einerseits auf die Gemeinderatssitzung am 25. Oktober und die Vorstellung des Starkregenrisikomanagements im Frühjahr 2025. „Der Wunsch der Betroffenen nach mehr Hochwasserschutz ist sinnvoll und nachvollziehbar“, sagte Matthias Wittlinger. Vor einigen Jahren wurde diesbezüglich im Gemeinderat schon einmal diskutiert. Eine Mauer zum Schutz vor Hochwasser wurde aber mehrheitlich von den Gemeinderäten abgelehnt, weil die Erlebbarkeit der Fils eine größere Rolle gespielt habe. Das Regierungspräsidium Stuttgart könnte nun prüfen, ob dieses Vorhaben finanziell durch das Land unterstützt werden kann. „Sofern der Gemeinderat das will.“